Don’t believe the hype.
In den letzen Tagen häufen sich wieder die traurigen Meldungen, wenn es um die Erhaltung von Clubkultur geht. Auf der einen Seite gibt es Nachrichten, dass Clubs schließen – fast immer aus finanziellen Gründen. Und dann gibt es die schöne heile Partywelt, die uns im wöchentlichen Rhythmus die besten Videos von Raves around the World auf unser 9:16 Display liefert.

Ganz kurz zur Einordnung meiner Person. Es ist 2024 und ich bin 45 Jahre jung. Mit 15 in einer Kleinstadt in der Eifel im Haus der Jugend (ein kleines soziokulturelles Zentrum) Teil der Disko-AG geworden. Kinderdisco. Erst mit 18 ging es in den richtigen Club, zum Glück gab es den in unserer Stadt. Danach unzählige Stationen in der Großregion, aber immer with a slight touch of Residency.

Um aus der Stadt raus zu kommen, muss man ständig Klinken putzen und sagen, wie geil man:n eigentlich ist. Das lokale Umfeld hat einen Hauch von Szene und Geborgenheit. Irgendwie. Die richtige Großstadt fehlt, also gibt es immer diesen Schleier von Dorf. Es war ruhig und wir konnten uns auf ein Untereinander fokussieren.

First Love Rap. Der erste richtige Club fasste rund 200 Feiernde. Spangdahlem war nicht weit entfernt und der Anteil an amerikanischen Personen war locker die Hälfte. Großstadtvibes. Somewhere in between East and West Coast. Verrückte Parties vom ersten Moment, jeden Samstag von 22 bis 4 Uhr nachts. Life Changer.

Die Jahre ziehen ins Land – ich nichts – und im Umland machen mit großen Abständen andere Clubs auf. Für einen Abend woanders sitzen wir schon mal eine Stunde im Auto. One way. Normales Game. Neue Orte werden interessant und musikalische Diversität hält Einzug. Stay curious.

Einige Zeit später fahre ich für gut zwei Jahre jeden Freitag nach der Ausbildung 90 Minuten mit dem Zug zu meinen Eltern, lege mich ein paar Stunden hin, um dann mit dem Auto und vier vollen Plattenkisten nach Kaiserlautern zu fahren. A6. Großraumdisko. Ramstein ist um die Ecke. Rap-Mekka im Pfälzer Wald. Mein DJ-Ziehvater und Lehrer VISEone hat sich über die Jahre vom kleinsten Raum in den Hauptraum gespielt. Zu Hochzeiten, jeden Freitag und Samstag 1.500 Leute. Smirnoff Ice fühlte und füllte uns ab ... and we ain't gonna talk about all the details. High Times. Es sollte erwähnt werden dass Großraumdiskotheken, wenn es nicht mehr läuft, auch gerne Konzepte wie „Ladies Night“ und „1-Euro Abende“ hatten. Alkohol war unsere Droge.

Der Hype um Hip Hop ließ nach, „Black Parties“ (damals eine ganz normale Beschreibung) wurden weniger besucht und mich beschlichen die ersten Gedanken zu einem Thema. Haben Diskotheken – heut sind ja alles Clubs – gewisse Halbwertzeiten? Das Phänomen zieht sich durch meine ganze musikalische Schaffensphase. Clubs kommen und gehen. Der Reiz am alten ist irgendwann weg und die letze Stellschraube an günstigem Alkohol zieht nicht mehr, wenn irgendwann die Crowd weg bleibt. Neue Locations öffnen ihre Türen, Clubmusik ändert sich in einem unregelmäßigen Tonus. Schlangen bilden sich auf anderen Gehsteigen der Stadt und noch nicht im Toilettenvorraum. That’s life.

Wer dran bleiben will, muss mit der Zeit gehen und sich anpassen. Niche or Sellout, it’s your choice. Hobby or make a living out of it. Oder werde Hochzeit-DJ. Bestes Geld, ganz oft ohne Rechnung, kann anstrengend sein oder Du bist biegsam. Aber die wichtigste Konstante bleibt. Musik. Das allwöchentliche Zusammenkommen wegen dem Beat. Hits, die noch als Hits zu erkennen waren. Einige über einen Sommer, andere länger oder manchmal für die Ewigkeit. Der Moment zählt und wird alle sieben Tage verlängert. Es gab zwar schon Handys aber man fragt noch nach Nummern, es wurde vielleicht mal „angestupst“ und Social Media ist grad in den Startlöchern. Bestes Leben.

Und da sind wir bei dem Punkt, der mich seit ein paar Jahren immer wieder umtreibt und ich bezeichne mich selbst als Handysüchtig, jedenfalls wenn es um Instagram geht. Das blaue F ist zu vernachlässigen und alle weiteren Apps möchte ich mir nicht mehr antun. Wir sind abhängig geworden! Vom ständigen Impuls. Süchtig. Nach Bildern und Videos und dem Wunsch, das gleiche zu erleben. Handy zücken bedeutet jetzt immer und überall Lights, Camera, Action. Wir sind alle Schauspielende und Kameramänner und -frauen zugleich. Und DJs. Und?

Wir sind es selbst schuld. Wir haben all diese Formate selbst eingeführt und Algorythmen gefüttert. Pure Selbstvermarktung. Es ging los mit den ersten Event-Posts, die Einführung von Likes, tausende aberwitzige Kommentare unter Veranstaltungen. Ankündigungen in den bekannten regionalen Gruppen. Personalisierte Werbung waren die Zauberworte. Das Dopamin kickt immer mehr. Bis hierhin bleibt es bei Bildern und ein wenig Text. Time flies. Die Pandemie und unsere räumliche Distanz ändern alles grundlegend. Aus Stillstand wurde Bewegung. Immer mehr in Form von Videos. Aus Posts werden Stories und fake Reels. Beim Fahren mit Automatik würde ich sagen Kick Down. Runter schalten. Gas geben. Noch mehr Beschleunigung.

Mit meiner jetzigen Erfahrung kann ich mich „noch“ darüber freuen, wenn ich die wöchentlichen Ankündigungen von befreundeten DJs auf LineUps lese. Für eine Sekunde. Dann pushed der Daumen das nächste ASMR-Video. Wir alle kennen diese Routine. Die Videos ändern sich aber langsam. Unrege Massen von Menschen mit Display wollen den Hype festhalten, den man nicht greifen kann. Volle Parties mit suchenden Gesichtern oder Workout-Moves. Ich bin selbst Teil davon und probiere soweit wie möglich mitzuspielen um überhaupt noch irgendwie mitschwimmen zu können. Ist das gut? In meinen Augen gibt es nur eine Antwort. Nein. It’s just a Hype.

Hype erzeugt Aufmerksamkeit in der breiten Masse.
Hype erzeugt den Wunsch, an allem teilnehmen zu wollen.
Hype lässt sich monetarisieren.
Hype ist unberechenbar.

Don’t believe the hype.

Hype lässt all das, was wir lieben, aus dem Ruder laufen. Und genau an dem Punkt sind wir im hier und jetzt angekommen. Der beste Smash Burger ist instant überlaufen. Die kleine griechische Insel mit diesem einen Sunset-Spot. Festivals spread like WildFyre everywhere. Die Welt brennt. Wir wollen alles. Now! All day, every day. Warum? Wir sind abhängig. Von Videos, die uns täglich ans Handy fesseln. Wir sind nie zufrieden und wollen ein Teil davon sein. Wir sind abhängig von jedem Like. Ich auch.

Clubs und viele Orte sterben. Die einen weil leer, die andern weil voll.
Wegen Hype.

Hype lässt Mieten, Gagen und Eintritte steigen. Den Rest regelt wie immer der Markt. Orte, die es rechtzeitig geschafft, die Besitzverhältnisse zu ihren Gunsten zu klären, werden hoffentlich durchhalten. Wir anderen müssen uns durch halten, und hoffen, dass es wieder Wunder gibt.

Leider wird das nicht passieren, so lange wir treu dem Kapitalismus und seinem Hype-Zwilling Neolib unsere Taler in den Rachen werfen. Ich – für mich – kann nur hoffen, dass wir alle noch wissen, wie man einen Gang zurück schaltet. There is no more need for speed.

Don’t believe the hype.